10. Juli 2020

Stefan Braungardt: „Dumpfer Rassismus ist gesellschaftsfähig geworden“

Stefan Braungardt ist Junioren-Koordinator Leistungsbereich (U16-U19) beim FC Schweinfurt 05 und Regionalauswahltrainer für den DFB. Der NEUEN PRESSE COBURG gab er ein Interview zum Thema Rassismus, das wir hier mit freundlicher Genehmigung nachdrucken. Von 2010 bis 2016 trainierte Braungardt den VfL Frohnlach, von 2010 bis 2012 den DVV Coburg. 1997 bis 2007 spielte er für den VfL Frohnlach. Er ist 1968 in Coburg geboren.

Woher kommt Ihr dunkler Teint?

Den habe ich vom leiblichen Vater meiner Mutter. Er war amerikanischer Soldat, der nach dem Krieg in Coburg stationiert war. Wir hatten aber nie Kontakt zu ihm und soweit mir bekannt ist, wusste er auch nie etwas von unserem Zweig der Familie.

Finden Sie es rassistisch oder nervt es Sie, wenn Ihnen jemand diese Frage stellt?

Nein, so lange mich jemand aus ehrlicher Neugier fragt. Ich muss aber auch zugeben, dass mir diese Frage in Coburg selten gestellt wird.

Was empfinden Sie, wenn Sie die aktuellen Aufnahmen aus den USA sehen?

Wie sehr viele Menschen weltweit eine seltsame Mischung aus Wut, Fassungslosigkeit, Hilflosigkeit und Angst. Ich fühle mich davon aber nicht persönlich betroffen, nur weil ich amerikanische Wurzeln habe. Ich bin in Coburg geboren und aufgewachsen – genau wie der Rest meiner Familie.

Welche Parallelen sehen Sie in Bezug auf Rassismus in Deutschland und den USA?

Ich denke, in Amerika ist Rassismus schon geschichtlich gesehen weit mehr verwurzelt als in Deutschland. Die offizielle Abschaffung der Rassentrennung gibt es in den USA verfassungsrechtlich ja erst seit etwa 55 Jahren. Fremdenfeindlichkeit bei uns hat eine andere Geschichte und andere Hintergründe. In Deutschland – und nicht nur hier – sehe ich eher ein „Rassismuspotential“, das, wenn geweckt und angeschürt, zu einem Flächenbrand werden kann. Leider sind gerade im Moment in Politik und Gesellschaft viele Schürmeister unterwegs.

Was halten Sie von den deutschen Anti-Rassismus-Demos, zu denen es aktuell kommt?

Generell finde ich es gut, wenn die Leute gegen Rassismus aufstehen. Die Lage in den USA ist jedoch nicht einfach auf unser Land übertragbar und ich glaube auch nicht, dass es in der deutschen Polizei eine Form von Rassismus-Kultur gibt.

Sind Sie selbst schon Opfer von rassistischen Kontrollen oder Gewalt durch Polizeibeamte geworden?

Nein. In Coburg ist diesbezüglich die Welt wohl noch in Ordnung. Ich wurde bestenfalls mal angehalten, weil man mich als Fußballer erkannt hat. Probleme hatte ich aber bisher keine. In Großstädten und sozialen Brennpunkten sähe es vielleicht anders aus.

Insbesondere auf dem Fußballplatz herrscht ja mitunter ein etwas herberer Ton. Welche Rassismuserfahrungen haben Sie als Spieler machen müssen?

Nicht nur auf den Sportplätzen ist der Ton rauer geworden, die Verrohung der Sprache ist vor allem in Verbindung mit Rassismus ein nicht zu unterschätzendes Phänomen unserer Zeit. Obwohl ich als Spieler in ganz Bayern unterwegs war und mit meiner Spielweise als „rustikaler Abwehrspieler“ die Wut der Zuschauer das ein oder andere Mal auf mich zog, habe ich bis auf wenige Ausnahmen keine schlechten Erfahrungen gemacht. Als Trainer allerdings schon. Hier wurden nicht selten Spieler meiner Mannschaft beleidigt. Wenn das passiert, werde ich tatsächlich laut, das hat im Sport nichts zu suchen. Tatsächlich kommt so etwas aber auch selten von Spielern, sondern eher aus dem Fanblock. Oft lässt sich eine solche Situation aber auch unmittelbar vor Ort regeln.

Welche Veränderungen haben Sie seit Ihrer Jugend in Bezug auf das Thema Rassismus in Deutschland erleben können?

Dumpfer Rassismus ist gesellschaftsfähig geworden. In Verbindung mit einer fast schon peinlichen Verrohung der Sprache hat er in Politik, Gesellschaft und sozialen Medien nicht nur Einzug genommen, er ist bereits fester Bestandteil geworden. Dort, wo früher noch hinter vorgehaltener Hand im Flüsterton ausländerfeindliche Witze erzählt wurden, werden heute in Facebook Tötungsaufforderungen an Flüchtlinge geliked.

Fühlen Sie sich in Deutschland derzeit sicher?

Ich fühle mich sicher. Allerdings habe ich in meiner Jugend, wenn ich in einer Großstadt unterwegs war, nie darüber nachgedacht, in welchem Stadtteil ich mich aufhalte, in welche Kneipe ich gehe, in welchem Fanblock ich mir ein Fußballspiel anschaue, oder ob ich die letzte Straßenbahn oder lieber ein Taxi zum Hotel nehme – heute tue ich das sehr wohl.

Das Interview führte Andreas Wolfger. Quelle: Neue Presse Coburg